Die Grünen in Luxemburg – mein Interview in „MACH ET“ der Kölner grünen Mitgliederzeitung

Das Bild von Luxemburg ist in Deutschland häufig sehr einseitig: Ein kleines Land, das vor allem als internationaler Standort von EU-Institutionen, Unternehmen, Banken, Fonds und als Steueroase bekannt ist. Welche wichtigen Aspekte fehlen in dieser Aufzählung?

Wir haben in den letzten 40 Jahren den Schwenk von einem Stahlstandort zu einem Dienstleistungszentrum geschafft. Doch bleibt Luxemburg weiterhin Industriestandort, etwa als Automobilzulieferer. Wir arbeiten mit den Unternehmerverbänden und den Gewerkschaften daran, uns für die 3. Industrielle Revolution vorzubereiten. Luxemburg ist aber auch touristisch attraktiv und produziert hochwertige Moselweine – auch in Bio.

In Luxemburg regiert seit 2013 erstmalig eine Koalition aus Liberalen, Sozialdemokraten und déi Gréng. Dieses neue politische Bündnis hat zahlreiche Reformen angestoßen und Luxemburg modernisiert. Welches sind eure zentralen Reformprojekte und wie habt ihr diese umgesetzt?

Vor allem gesellschaftspolitisch sind wir mit Riesenschritten vorangegangen: Ehe und Adoption für Alle, Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch, Trennung von Staat und Religion, Reform des Nationalitätsgesetzes. Die Vereinfachung des Scheidungsrechts und des Familienrechts sind unterwegs. Wir stehen für eine Steuerreform, die sozial gerecht ist und erstmals ökologische Elemente beinhaltet. Aus grüner Sicht sind auch die Investitionen in den ÖPNV äußerst bedeutsam: wir investieren heute 2/3 in schienengebundenen Verkehr und nur noch 1/3 in Straßen, eine Umkehr der bisherigen Politik!

 In Luxemburg hat, von der deutschen Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, eine regelrechte Revolution stattgefunden. Wie habt ihr es in dem traditionell christlich geprägten Großherzogtum geschafft, diese gesellschaftspolitischen Erfolge zu erreichen?

Nach 34 Jahren ununterbrochener christdemokratischer Führung war es an der Zeit, den Reformstau aufzulösen. Es gab 2013 den politischen Willen im Zuge von vorgezogenen Neuwahlen eine Mitte-Links-Regierung auf die Beine zu stellen, die parlamentarische Mehrheit ermöglicht die Reformen. Doch die Christsozialen verweigern uns eine Generalüberholung unserer Verfassung, die eine 2/3-Mehrheit erfordert. Es geht also um die politischen Machtverhältnisse.

 Das „Groussherzogtum Lëtzebuerg“ ist ein kleines Land mit einem Ausländeranteil von 47,7 % bei nur knapp 600.000 Einwohnerinnen. Gleichzeitig ist der Wahlspruch in dem traditionell katholisch geprägten Land: „Mir wëlle bleiwe wat mir sinn“. Wie schafft Luxemburg den Spagat zwischen Weltoffenheit und dem Erhalt luxemburgischer Identität?

Der Spagat sieht nur nach außen harmonisch aus. Wir wollten per Volksentscheid den Nicht-Luxemburger Ansässigen das Parlaments-Wahlrecht geben. Damit sind wir bei 80% der Luxemburger abgeblitzt, die Angst vor dem Verlust ihrer Identität signalisierten. Trotzdem zeigen Umfragen, dass etwa die Abschaffung des katholischen Religionsunterrichts in den öffentlichen Schulen und seine Ersetzung durch einen gemeinsamen Werteunterricht von der Bevölkerung begrüßt werden.

 Im Herzen Europas gelegen ist Luxemburg Gründungsmitglied der. Wie werden der Brexit und die Diskussionen über die Unabhängigkeit in Schottland und Katalonien gesehen? Welche Zukunft der Europäischen Union möchten die Menschen in Luxemburg?

Die LuxemburgerInnen sind traditionell pro-europäisch, denn sie haben erfahren, dass unser kleines Land nur in einer starken Gemeinschaft gedeihen kann. Wegen der nahen Grenzen erkennen die LuxemburgerInnen jeden Tag die Vorteile der EU-Integration, wie Euro und Schengen-Raum. Deshalb können sich die LuxemburgerInnen auch sehr gut ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten vorstellen und sie sind bereit mit anderen Pro-EuropäerInnen voran zu gehen.

(in MACH ET – das offizielle Magazin der Kölner Grünen nr. 248 Dezember 2017)

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