Falls ein Mensch, eine Familie, ein Betrieb, ein Land in existenzielle Not geraten, – besonders wenn dies unverschuldet geschieht –, dann muss alles getan werden, um ihnen zu helfen. Anschließend, wenn der „Patient“ stabilisiert ist, gilt es dafür zu sorgen, dass solche lebensgefährlichen Situationen vermieden werden können. Und zwar durch Stärkung seiner Resilienz, also seiner Widerstandskraft und der Fähigkeit zukünftige Krisen zu meistern.
„Ein starker und solidarischer Staat ist kein Luxus. Austeritätspolitik würde die wirtschaftliche Krise verschärfen.“
Wer fordert, man solle das im Zuge der Corona-Krise an Haushalte, Betriebe und bald auch an Länder verteilte viele Geld schnellstmöglich wieder einsammeln, der schwächt diese, anstatt sie zu stärken. Falls die öffentliche Hand wieder kurzfristig dem Fetisch der budgetären schwarzen Null nachlaufen würde, dann würde sie mit dieser Austeritätspolitik die wirtschaftliche Krise verschärfen. Die auch gezeigt hat, dass ein starker und solidarischer Staat kein Luxus ist.
Die kurzfristige konjunkturelle Stabilisierung muss nun übergehen in eine langfristige Weiterentwicklung unseres Arbeits-, Lebens- und Gesellschaftmodells. Demnach darf der „Neustart“ kein Weiter-Wie-Bisher sein, sondern ein qualitativer Umbau unserer Wirtschaft, um unser ökonomisches und gesellschaftliches Gewebe resistenter zu gestalten. Was wir jetzt brauchen sind Visionen, Ambitionen und Investitionen.
„Der Neustart darf kein Weiter-Wie-Bisher sein, sondern ein qualitativer Umbau unserer Wirtschaft, um unser ökonomisches und gesellschaftliches Gewebe resistenter zu gestalten.“
Ein wichtiger Anschub nach dem Lockdown ist die Beschleunigung der staatlichen Investitionen: Luxemburg hat in den vergangenen Jahren massiv investiert und auch für die nächsten Jahre sind große Investitionen in Erneuerbare Energien, sanfte Mobilität, öffentlichen Transport und Elektromobilität geplant. Es gilt jetzt, diese Investitionsstrategie konsequent weiter zu verfolgen. Auch die öffentlichen Investitionen in den Umwelt- und Naturschutz, wie Hochwasserschutz, Wasseraufbereitung, Erhaltung der Wälder, Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft müssen oberste Priorität behalten. Parallel brauchen wir weiter hohe Investitionen in digitale Infrastruktur und in Prozesse, z.B. in den Bereichen Verwaltung und Gesundheit. Ein ökologisches Sofortprogramm für die Wirtschaft soll deren Transformation hin zu CO2-freier Produktion fördern.
„Für Wirtschaft und Gesellschaft gibt es kein Zurück in die alte Normalität . Gebraucht wird ein Neustart, der Vision, Ambition und Investition zusammenbringt.“
Da nicht nur die Betriebe, sondern auch die Haushalte ökonomische Akteure sind, geht es darum, auch diese weiterhin bei ihren Zukunftsinvestitionen in die Energie- und Verkehrswende zu unterstützen. Stichworte hierzu sind energetische Sanierungen, Ölheizung-Ersatzprogramm, erneuerbare Energien und nachhaltige Mobilität. Die Investitionsbeihilfen sollten kurzfristig erhöht und sozial ausgestaltet werden.
Auf EU-Ebene muss unbedingt die im Corona-Kontext kontraproduktive „Schuldenbremse“ für 3 bis 5 Jahre ausgesetzt werden, denn angesichts der notwendigen Umorientierung hin zu mehr Nachhaltigkeit geht der Bedarf an Investitionen weit über den kurzfristigen Horizont hinaus. Wir befürworten den gemeinsamen EU-Recovery-Fund, der durch gemeinsame Anleihen die Krisenlasten solidarisch schultert. Diese Vergemeinschaftung der Verschuldung entlastet die nationalen Schuldenquoten und sollte nach der ökonomischen Leistungsfähigkeit der Länder gestaffelt werden. Und der von der EU-Kommission propagierte Green Deal muss mit den Mitteln des Recovery Funds zum Pakt für die ökologisch-soziale Transformation der Wirtschaft werden.
Nach Corona gibt es für Wirtschaft und Gesellschaft kein Zurück in die alte Normalität. Gebraucht wird ein Neustart, der Vision, Ambition und Investition zusammenbringt.
Djuna Bernard & Christian Kmiotek, Co-Präsidenten von déi gréng
(Erstveröffentlichung im Lëtzebuerger Land am 5.6.2020)