Jeder der täglich im Stau steckt – sei es in Auto, Bus oder Zug – erkennt, dass es in einem kleinen endlichen Land kein unendliches Wachstum geben kann. Auch das Anzapfen von externen Ressourcen wie Öl, Strom und Arbeitskraft stößt für jeden ersichtlich an Grenzen. Politiker aller Schattierung benutzten zwar das Modewort „Nachhaltigkeit“, viele haben aber nicht verstanden, dass „nachhaltig“ mehr ist als „langanhaltend“ und mehrere Dimensionen beinhaltet. Nachhaltiges Denken und Handeln ist gleichzeitig ökonomisch, sozial und ökologisch begründet. Und Nachhaltigkeit greift weiter als das Hier und Jetzt und berücksichtigt die Bedürfnisse anderer Weltregionen und zukünftiger Generationen.
Die traditionellen Regierungsparteien CSV, LSAP und DP bleiben gefangen in der Wachstumslogik. Sie fanden es sinnvoller, die Früchte des Wachstums zu verteilen anstatt zu investieren. Sie haben unser Land nicht infrastrukturell mit der Bevölkerung und den Arbeitsplätzen mitwachsen lassen. Und sie haben versäumt, es landesplanerisch bedarfsgerecht zu organisieren. Demnach ist der Nachholbedarf enorm; im Verkehr und im Wohnungsbau steht Luxemburg kurz vor dem Infarkt. Die jetzige Regierung hat richtigerweise umgesteuert: mit historisch hohen Investitionen, vor allem in den schienengebundenen Transport. Über die Landesplanung soll unser Land so umorganisiert werden, dass vor allem Wohnen und Arbeiten, aber auch andere Aktivitäten näher zusammenrücken und an den öffentlichen Verkehrsadern angesiedelt werden.
Die Dreierkoalition hat Luxemburg gesellschaftspolitisch aktualisiert. Durch den Rifkin-Prozess macht sie nun das Land zukunftstauglich. So gerät die „Dritte Industrielle Revolution“ für uns eher zur Evolution, denn ganz anders als bei Stahl- und Bankenkrise sind wir vorbereitet. Unter der Bedingung, dass wir auch die Arbeitnehmer schützen, bergen Digitalisierung und Robotisierung ökonomische und soziale Chancen, die wir intelligent nutzen sollten. Damit dies gelingt, müssen unbedingt alle Akteure der Zivilgesellschaft eingebunden werden, die Gewerkschaften gleichberechtigt mit den Unternehmerverbänden.
Der Rifkin-Prozess kann uns auch helfen, die richtigen Weichen in Sachen Wachstum zu stellen. Dabei gilt es, alle internen und externen ökonomischen, sozialen und ökologischen Folgekosten zu berücksichtigen. Luxemburg darf nicht mehr unkontrolliert wachsen. Wir müssen uns eine wirklich nachhaltige Strategie geben, sowie Kriterien, die den Impakt unserer vorgesehenen gesetzgeberischen und verwalterischen Maßnahmen bewerten. Ein solches Vorgehen erleichtert und verkürzt die Einzelfallentscheidungen und verschafft Luxemburg einen kompetitiven Vorsprung.
Dadurch, dass wir systematisch den ökonomischen, sozialen und ökologischen Impakt etwa einer möglichen Industrie- oder Dienstleistungsansiedlung evaluieren, bekommt unser Wachstum eine nachhaltige Komponente. Dann können wir zum Beispiel feststellen, dass „Uber“ nicht Teil der „Sharing Economy“ ist, sondern ein Geschäftsmodell das auf der Ausbeutung von Arbeitnehmern, der Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen und der unlauteren Verdrängung von Marktkonkurrenten fußt.
Luxemburg muss sich nach einer breit geführten öffentlichen Debatte die Instrumente geben, sein Wachstum nach nachhaltigen Kriterien zu steuern. Dies führt dazu, dass wir uns gezielt und verträglich entwickeln, sowie den zukünftigen Generationen den ihnen zustehenden Handlungsspielraum erhalten.
(Erstveröffentlichung am 1.12.2017 im „Lëtzebuerger Land“)