Politiker benutzen gerne das Modewort Nachhaltigkeit, viele haben aber nicht verstanden, dass „nachhaltig“ nicht gleichbedeutend mit „langanhaltend“ ist. Nachhaltiges Denken und Handeln ist einerseits mehrdimensional: gleichzeitig ökonomisch, sozial und ökologisch. Andererseits greift es weiter als das Hier und Jetzt und berücksichtigt die legitimen Bedürfnisse anderer Regionen oder Kontinente und der zukünftigen Generationen.
Die drei traditionellen Parteien (CSV, LSAP und DP) bleiben gefangen in der Wachstumslogik. Sie sind geblendet vom materiellen Wohlstand für Alle den das Wachstum verspricht. „Wenn die Flut kommt, steigen alle Boote, die großen und die kleinen“, das ist ihr Argument. Dabei vergessen sie egoistisch und kurzsichtig, dass gleichzeitig an anderer Stelle der Erde Ebbe herrscht, dass dort die Boote auf dem Trockenen liegen. Eine Metapher für Luxemburg etwa als Nutznießer der Steuervermeidung von Konzernen, oder auch für unseren – auch meinen – Lebensstil: wenn jeder Erdenbürger so leben würde wie wir, bräuchten wir sechs Planeten „Erde“!
Nachholbedarf
Die drei traditionellen Parteien waren auch blind für die Nebeneffekte des Wachstums. Zu lange wurden die Dividenden des Wachstums verteilt, anstatt sie in die Zukunft zu investieren. Zu lange wurde das Land weder infrastrukturell noch organisatorisch, sprich landesplanerisch an das schnelle Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum angepasst. Die aktuelle Regierung musste dementsprechend viel und möglichst schnell nachholen. Ziel der Regierung ist es nun, über eine gezielte Landesplanung unser Land für die Zukunft so umzuorganisieren, dass Wohnen, Arbeiten und andere Aktivitäten näher zusammenrücken. Das wird die täglichen Wege verkürzen und verbessern.
Selbstverständlich gäbe es eine andere, einfache, nicht nachhaltige und deshalb falsche Lösung um Wohnraum und Aktivitätszonen zu schaffen: die Bauperimeter ausweiten und das Land zubetonieren. Doch wollen wir wirklich das letzte Biotop roden, den letzten Landwirt vom Acker treiben, das letzte Naherholungsgebiet zerstören, dem letzten gewachsenen Ortskern seine Seele rauben? Ich denke, da wollen wir doch alle eher „konservativ“ sein.
Anders wachsen, besser planen!
Die aktuelle Dreierkoalition hat mit dem Rifkin-Prozess begonnen, Luxemburg auch auf die großen Umwälzungen der Zukunft vorzubereiten. Im Gegensatz zur Stahlkrise und zur Bankenkrise wird die „Dritte industrielle Revolution“ unser Land nicht unvorbereitet treffen. Unter der Bedingung, dass wir die Arbeitnehmer schützen, werden Digitalisierung und Robotisierung für Luxemburg eher eine Evolution denn eine Revolution darstellen. Damit dies gelingt, müssen alle Akteure der Zivilgesellschaft und auch die Bürgerinnen und Bürger mit eingebunden werden, die Gewerkschaften auf Augenhöhe mit den Unternehmerverbänden.
Luxemburg kann nicht weiter unkontrolliert und rein quantitativ wachsen. Wir müssen endlich alle Folgekosten, interne und externe, berücksichtigen. Nur so können wir uns eine wirklich nachhaltige Strategie geben um anders zu wachsen, d.h. gezielter und verträglicher. Wir müssen uns Kriterien geben, die den Impakt jeder gesetzgeberischen und administrativen Maßnahme messen. So können wir den ökonomischen, sozialen und ökologischen Impakt einer möglichen Ansiedlung systematisch evaluieren und unser Land zukunftssicher weiter denken und entwickeln.
Nicht alles Machbare macht auch Sinn
Wir stellen fest, dass z.B. „Uber“ verzichtbar ist, weil das Geschäftsmodell auf der Ausbeutung von Arbeitnehmern, der Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen und der unlauteren Verdrängung von Konkurrenten basiert. Wegen der Luftverschmutzung die unsere Einwohner belasten wird, sehen wir auch keinen Sinn darin, eine Steinwolle-Fabrik bei uns anzusiedeln. Dazu kommt, dass die geschaffenen Arbeitsplätze zum Großteil von Grenzgängern besetzt werden, die unser Verkehrsproblem weiter verschärfen.
Ähnliches gilt für eine Jogurt-Fabrik, die LKW-weise Milch aus ganz Europa herankarren und Millionen Becher wieder abtransportieren wird. Auch das geplante Mega-Datencenter ist nicht der Weisheit letzter Schluss, da es gewaltige Ressourcen an Strom, Wasser und Fläche verschlingt, die an anderer Stelle fehlen werden. Gerade Grund und Boden können wir nicht einfach im Ausland dazukaufen. Wir müssen besonders mit unserer Landesfläche sparsam umgehen.
Nachhaltig und ethisch
Manche Propheten des Wachstums glauben, nur die technischen Möglichkeiten und die bremsenden Moralisten stünden dem ewigen Wachstum im Weg. Moral ist dabei die falsche Wortwahl, denn diese basiert auf der persönlichen Weltanschauung und ist deshalb nicht allgemeingültig. Es geht vielmehr um Ethik.
Aus grüner Sicht, muss Wachstum ethischen Kriterien unterworfen werden. Die Ethik hilft uns, die zwangsläufig auftretenden Konflikte zu lösen. Ethisch ist eine Entscheidung dann, wenn sie eine befriedigende Lösung zwischen den Ansprüchen aller Beteiligten herstellt. Wobei zu den Beteiligten ausdrücklich nicht nur Menschen und Betriebe, sondern auch die nichtpersonale Umgebung zählen, also auch etwa die Natur, die Menschen auf anderen Kontinenten und die zukünftigen Generationen.
Ich plädiere dafür, dass Luxemburg sich in einer breiten Debatte die Instrumente gibt, sein Wachstum nach nachhaltigen und ethischen Kriterien zu steuern. So wachsen wir endlich wieder verträglich und gezielt da wo es Sinn macht, und wir erhalten unseren Kindern und Kindeskindern gerechterweise ihren eigenen Handlungsspielraum.
(Erstveröffentlichung Luxemburger Wort 25.11.2017 unter dem Titel „Net alles huele wat geet„)