Informationsversammlung der Chamber in Grevenmacher. Bei der Diskussion tritt ein gerade 18-jähriger junger Mann leidenschaftlich und gut informiert für das Jugendwahlrecht ein. Man muss davon ausgehen, dass sein Wissen und sein Engagement nicht erst in der Nacht zu seinem 18. Geburtstag zustande kamen, sondern dass er auch mit 17, vielleicht schon mit 16 politisch interessiert war.
Ein Einzelfall? Vielleicht. Aber genau für diese sicher nicht seltenen Einzelfälle sollte das Jugendwahlrecht eingeführt werden. Damit jene junge Menschen, die sich selbst als politisch interessiert und reif fühlen, sich mit 16 oder 17 Jahren in die Wählerlisten eintragen dürfen und über ihre Zukunft mitentscheiden können.
Einige Kommentatoren beschweren sich in den sozialen Medien wiederholt, dass durch die fakultative Einschreibung der Jugendlichen für diese Gruppe nicht de facto die Wahlpflicht wie für die Erwachsenen gelte. Dem muss man entgegen halten, dass auch bei den Erwachsenen die Wahlpflicht nicht absolut gilt, da ab 75 Jahre die Stimmabgabe fakultativ ist.
Schwache Argumente der Neinsager
Ich bin zutiefst enttäuscht über die Position der CSV in der Frage des Jugendwahlrechts. Nur ganze zwei äußerst schwache Gegenargumente brachte die größte Neinsager-Partei zu diesem Thema zu Papier und in die Haushalte:
- „Weil die Wahlpflicht irgendwann einmal zur Ausnahme wird, wenn immer mehr Personen „nur“ das Wahlrecht bekommen.“
Dies ist nicht einmal ein Argument gegen das Jugendwahlrecht an sich, sondern betrifft genauso das Einwohnerwahlrecht. Demnach ist es der Ausgangspunkt einer wichtigen Diskussion, die in Zukunft öffentlich zu führen wäre, nämlich über Vor- und Nachteile der Wahlpflicht bzw. des fakultativen Wahlrechts für alle. Doch in der aktuell gestellten Frage für oder wider das Jugendwahlrecht trägt dieses Ablenk-Argument nichts zur Diskussion bei.
- „Weil 16-Jährige nicht volljährig sind und demnach nicht alle Rechte und Pflichten ausüben bzw. übernehmen können.“
Dies ist eine Feststellung, jedoch ist es keineswegs ein Argument gegen das Jugendwahlrecht.
Man braucht nicht Entwicklungspsychologe zu sein, um zu wissen, dass der Übergang von der Jugend ins Erwachsenenalter sich allmählich vollzieht. Dem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und so werden ab dem 16. Lebensjahr mehr und mehr Rechte und Pflichten auch den Jugendlichen zugestanden. Eine sehr unvollständige Liste lautet: Ende der Schulpflicht, möglicher Eintritt ins Arbeitsleben inklusive Steuern zahlen, Ausbildungswahl und damit vorweggenommene zukünftige Berufswahl, Verantwortung für sich und andere im Straßenverkehr z.B. beim Moped-Fahren, aber auch Erlangen eines Waffenscheins oder die oft zitierte Möglichkeit eventuell nach dem Erwachsenenstrafrecht abgeurteilt zu werden …
Es gibt keinen wissenschaftlichen Grund, zu dieser Liste nicht auch das Wählen (nicht aber das Gewähltwerden!) hinzuzufügen, wenn der Jugendliche das denn will. Denn spätestens mit 16 Jahren ist sowohl die moralische als auch die intellektuelle Entwicklung des Menschen breits ausgereift.
Unangepasste Alternativen
Leider bietet die CSV nur läppische Alternativen, die weder durchdacht noch ausgereift sind (wie regionale und sektorielle Jugendparlamente, kommunale Jugendkommissionen). Diese altbackenen Vorschläge zeigen, dass die größte Oppositionspartei offenbar entweder keine Ahnung oder aber Angst vor der Jugend hat, aber auch dass sie generell mit der lebendigen Demokratie fremdelt. Sogar der Forderung nach flächendeckender politischer Bildung an Schulen fehlt es an Substanz: wir brauchen keinen todlangweiligen „Instruction civique“-Kurs, sondern unsere Kinder und Jugendlichen müssen an konkreten Projekten in Maison-Relais, Schule und Lyzeum erfahren, wie sie gemeinsam ihre Umwelt in ihrem Sinne verändern können.
Informationsversammlung der Chamber in Grevenmacher. Der gerade 18 Jahre alt gewordene Mann hakt beim CSV-Vertreter nach. Dieser muss gestehen, dass die CSV nur aus einem juristischen Grund gegen das Jugendwahlrecht ist, und zwar weil das Alter der Großjährigkeit juristisch mit der Vollendung des 17. Lebensjahrs eintritt.
Für mich leistet die CSV damit einen Offenbarungseid, sie gesteht, dass sie unfähig ist, mit der Zeit zu gehen. Früher galt das Wahlrecht ab 25 Jahren, dann ab 21, seit einigen Jahrzehnten ab 18. Die Welt verändert sich, die Menschen auch, im heutigen Luxemburg sind junge Menschen besser ausgebildet und umfassender informiert, als dies jemals der Fall war.
Deshalb ist es unsere Pflicht, besonders in Zeiten von zunehmender Poltikverdrossenheit, jenen jungen Frauen und Männern, die sich an der Gestaltung unseres zukünftigen Gemeinwesens beteiligen möchten, das Wahlrecht zu gewähren.
(erstmals publiziert am 2.6.2015 im tageblatt)