Sechstausend Liter Pestizide sind in unser gröβtes Trinkwasserreservoir geflossen. Es war ein Unfall; „tough shit, but shit happens“. Nein, so einfach ist es doch nicht.
Dieser Unfall war ein Weckruf. Ein Alarmsignal schrillt und macht uns auf etwas weitaus Bedenklicheres aufmerksam: unser Wasser enthält eine Grundbelastung an Pestizidgiften. Unser wichtigstes Lebensmittel wurde jahrzehntelang als Stiefkind behandelt. Der Beweis: wir zahlen jeden Tag Strafe an Brüssel, weil unsere Abwässer seit Jahren ungenügend geklärt sind. Zusätzlich erfahren wir nun: wir reichern unsere Körper und die unserer Kinder mit Giftstoffen an.
Vordergründig betrachtet könnte man meinen, die Bauern seien an der Pestizidbelastung unserer Grundwasserquellen und unseres Oberflächenwassers schuld. Doch diese simplistische Sichtweise greift zu kurz. Es ist die Politik die schuld ist, weil sie es bislang verfehlte unser Wasser so zu schützen, wie es unserem wichtigsten Lebensmittel zusteht.
Jede Krise ist auch immer eine Chance, es fortan besser zu tun. Der Pestizidunfall, der gleichzeitig die Alarmglocken schrillen ließ wegen der nicht hinnehmbaren Grundbelastung unseres Wassers mit Gift, muss jetzt dreierlei bewirken. Erstens einmal eine Verschärfung unseres Pestizidgesetzes, das derzeit die parlamentarischen Mühlen durchläuft. Zweitens die langfristige Kontrolle aller Trinkwasserquellen auf Pestizide und Nitrate, sowie die Ausweisung von Schutzzonen im Einzugsgebiet dieser Quellen.
Drittens: eine Umorientierung unserer Landwirtschaft in Richtung schonende Nutzung der Ressourcen. Da aktuell der „Plan de développement rural“ (PDR) in Ausarbeitung ist, steht zur Zeit ein einmaliges Fenster der Möglichkeiten offen, unsere Landwirtschaft mehr in Richtung Respekt vor Natur und Mensch zu orientieren. Im PDR werden für die kommenden sieben Jahre die entscheidenden Weichen für die zukünftige Ausrichtung unserer Agrarpolitik gestellt werden. Der PDR ist ein wichtiges Leitungs- und Steuerungsinstrument, weil er festlegt, nach welchen Kriterien die europäischen und luxemburgischen Agrarsubventionen künftig hierzulande verteilt werden. Politisch muss mit dem neuen Agrarentwicklungsplan die Frage beantwortet werden, ob wir weiterhin eine Landwirtschaft wollen, die in groβen Teilen mit überdimensionierter Mechanisierung und übertriebenem Chemieeinsatz den Agrarkonzernen hörig ist? Oder ob wir nach und nach unsere Bauernschaft umorientieren wollen, hin zu einer Bewirtschaftung die im Einklang mit den lokalen Gegebenheiten steht? Das heißt nicht, dass es künftig nur noch Biobauern und -winzer geben wird. Aber eine längst überfällige Kurskorrektur kann mit dem nächsten PDR eingeleitet werden.
Ziel des neuen PDR muss eine Landbewirtschaftung sein, die im Respekt von Landschaft, Natur, Wasser, Boden, Pflanzen, Tieren und Menschen erfolgt. Und selbstverständlich werden die Bauern jene Dienste, die sie zum Allgemeinwohl leisten, auch von der Gemeinschaft vergütet bekommen müssen. Der Landwirtschaftsminister ist auch für den Verbraucherschutz zuständig; demnach kann man davon ausgehen, dass wir in Zukunft von allen unseren Landwirten gesund ernährt werden.
(erstmals veröffentlicht im Lëtzeburger Land am 10.10.2014)