von Christian Kmiotek; veröffentlicht am 24. Februar 2012 im „Lëtzeburger Land“
Die von der Regierung vorgelegte Rentennovellierung verdient nicht den Namen Reform, denn sie dreht nur an ein paar Stellschrauben. Sie basiert auf den Annahmen, dass in den kommenden Jahrzenten im Schnitt die Wirtschaft 3% jährlich wachsen wird und die Beschäftigung 1,5%. Dies sind überaus optimistische Prognosen, die aktuell nicht zutreffen und sich kaum über ein halbes Jahrhundert in einer “Old Economy” bewahrheiten werden. Unter diesen Voraussetzungen ist unser Rentensystem de facto ein Madoffsches Pyramidenschema, das auf der irrigen Annahme unendlichen Wachstums basiert.
Um das öffentliche Rentensystem zu erhalten, muss jetzt – in einer Situation mit noch vollen Reserven – das kurze Zeitfenster genutzt werden, um das System grundlegend zu reformieren. Wir müssen weg von einer Vollkasko-Mentalität, die heutzutage dazu führt, dass ein Beitragszahler, der 40 Jahre lang auf dem Maximum des 5-fachen Mindestlohns eingezahlt hat, Anrecht auf über 7.000 Euro an monatlicher Pension hat.
Eine solch hohe Leistung entspricht nicht der sozialen Funktion des öffentlichen Pflichtregimes, ja gefährdet es sogar. Deshalb sollte ab sofort die Höchstbeitragsgrenze auf den 3,5-fachen Mindestlohn begrenzt werden, was der sozialen Aufgabe einer Grundversorgung im Alter gerecht wird und immerhin noch eine Maximalpension von über 4.000 Euro nach sich zöge. Wer mehr verdient als der 3,5-fache Mindestlohn und eine höhere Rente als die gesetzliche will, sollte sich zusätzlich privat versichern, was ja auch steuerlich gefördert wird.
Darüber hinaus sollte die Grundlage für die Einzahlungen in die Rentenkasse erweitert werden. Aktuell unterliegt nur das Arbeitseinkommen der Beitragspflicht, was ungerecht ist. Künftig sollten – wie in der Pflegeversicherung – auch etwa Kapital- und Mieteinkünfte zur Beitragsbemessung hinzugezogen werden. Auch Beitragserhöhungen von aktuell dreimal 8% auf dreimal 10% sollten nicht ausgeschlossen werden.
Denn die Rente wird nicht unbedingt dadurch gerettet, dass jeder Arbeitnehmer in Zukunft länger arbeitet, da dies voraussetzt, dass es auch genügend Arbeitsplätze gibt. Das Beispiel der Jugendarbeitslosigkeit zeigt, wie illusorisch das Wunschdenken von 40-jähriger Arbeitszeit ist. Nicht nur, dass Jugendliche heutzutage später in den Beruf einsteigen, sie sind auch – sogar nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung – überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen, was wiederum ihren Aufbau von Rentenansprüchen behindert. Wenn dann in Zukunft die Älteren wirklich noch länger arbeiten sollten als bisher, wird es umso schwieriger für die Jungen im Berufsleben Fuβ zu fassen.
Was das angenommene Arbeitsplatzwachstum von 1,5% angeht, so führte das in 25 Jahren von jetzt 350.000 zu 500.000 Beschäftigten und in 50 Jahren zu einer Verdoppelung auf über 725.000. Wo sollen alle diese Menschen arbeiten, wohnen, leben? Wie sollen sie sich bewegen? Wieviel Landverbrauch verträgt Luxemburg? Wollen wir den 700.000-Einwohner-Staat in 25 Jahren ? Und wie bewältigen wir ihn?
Das von der Regierung vorgelegte überaus optimistische Szenario beinhaltet zwar bezahlbare Renten, es fehlen aber die Strategien in den Bereichen Wohnungsbau, Bildung und Mobilität und die dafür veranschlagten direkten und indirekten Kosten für die kommenden Jahrzente.
Eine breite nationale Diskussion über das zukünftige Luxemburg muss her.
(Christian Kmiotek ist Finanzreferent von “déi gréng”)